Runkenstein
Robotic Greetings

Runkensteins Wortkatakomben

Texte aus den tieferen Gefilden des Verstandes
lustig - absurd - düster - kafkaesk - surreal - grotesk


Fahrt in den Wahnsinn


Die folgenden Ereignisse geschahen am 16. Oktober des letzten Jahres, an einem düsteren Herbstabend gegen halb Zehn. Den ganzen Tag schon hatte es gestürmt und geregnet, doch kurz nach Sonnenuntergang riss die dichte Wolkendecke auf und machte Platz für den Vollmond, der in dieser ländlichen Gegend die einzige Lichtquelle war. Wegen eines Unfalls auf der Autobahn war Dennis eine Abfahrt früher abgefahren und gondelte jetzt auf der Landstraße nach Hause; spätestens um Zehn Uhr sollte er da sein. Seit der Abfahrt hatte er kein anderes Auto mehr gesehen, aber in diesem Gebiet sagten sich auch Fuchs und Hase gute Nacht. Zwischen großen Wäldern gab es nur Felder und ein paar einsame Dörfer.
Seit dem letzten Dorf lagen zu beiden Seiten der Straße Stoppelfelder und Wiesen und das Licht des Mondes machte die Nacht zum Tage, bis einige Kilometer später die Straße in einen Wald führte, der das meiste Licht verschluckte. Mit 30 bis 70 Km/h folgte Dennis der kurvigen Straße durch den Wald, der auch mit Fernlicht unheimlich wirkte. Aus den Lautsprechern dröhnten harte Industrial-Beats, als vor dem Auto plötzlich drei Rehe über die Straße liefen. Dennis bremste ab, die Rehe waren aber schnell wieder im Wald verschwunden.
Zwischen den dichten Bäumen schien an einigen Stellen der Mond auf die Straße und warf gespenstige Schatten. Plötzlich eine Bewegung am Straßenrand! Dennis bremste etwas ab, konnte aber nichts erkennen. Vielleicht war es wieder ein Reh gewesen. Er fuhr jetzt etwas schneller und machte die Musik lauter, um sich abzulenken; doch nur eine halbe Minute später bewegte sich wieder etwas am Straßenrand. Wieder fuhr er etwas langsamer, sah in der Dunkelheit aber nur einen flüchtigen Schatten. Langsam wurde es ihm unheimlich, also konzentrierte er sich auf die Straßenmitte und das Lenken in den Kurven.
Nach einer langgezogenen Kurve sah er wieder in einiger Entfernung ein Reh am Straßenrand, also wurde er langsamer. Als es das Auto sah, rannte es auf die andere Straßenseite, ein zweites folgte ihm. Als Dennis wieder von der Bremse auf das Gas wechselte, flog vor ihm etwas großes aus dem Schatten auf die Straße und blieb am rechten Straßenrand liegen. Er fuhr langsam heran und sah ein Reh, dessen Bauch und Hals aufgeschlitzt und dessen Eingeweide herausgerissen waren.
Er blickte sofort auf die andere Seite der Straße an die Stelle, an der das Reh aus dem Schatten geworfen wurde und sah zwei kleine glühende Punkte, die sofort verschwanden; dann huschte etwas durch den Schatten. Dennis stellte die Musik leise und fuhr wieder los, beschleunigte auf 80 km/h, dann auf 90. Langsam bekam er Angst.
Mit Tempo 100 raste er durch den dunklen Wald über die kurvenreiche Strecke und bremste selbst an engen Kurven höchstens auf 50 herunter. Dann kam wieder eine längere Gerade, an der seine Anspannung etwas nachließ und er die Musik wieder lauter stellte.
Er beschleunigte gerade auf 80, als im hellen Mondlicht vor ihm plötzlich jemand auf die Straße lief und stehen blieb. Zuerst dachte Dennis an einen Unfall, aber es war kein Unfallwagen zu sehen. Er kam näher und wurde langsamer, lies aber das Fernlicht an.
Als er die Gestalt aus der Nähe sah, blieb beinahe sein Herz stehen: Es war etwa 1,60 Meter groß, hatte grüne, reptilienähnliche Haut, lange Arme und an den Fingern lange, scharfe Krallen. Der Kopf der Bestie war kahl, die Augen glühten Rot und in dem großen Maul mit dem kräftigen Unterkiefer blitzten ihn lange Reißzähne an.
Das Adrenalin durchströmte seinen Körper und beschleunigte den Puls auf 180, er trat das Gas voll durch und wich der Bestie aus, die sich mit einem lauten, markerschütternden Schrei auf den Wagen stürzte, aber mit den Krallen keinen Halt fand. Er beschleunigte auf 120 und sah in den Rückspiegel, das Wesen rannte ihm hinterher und war verdammt schnell. Mit 100 jagte Dennis mehrere Kilometer über die Straße, bis es nicht mehr zu sehen war.
Langsamer, aber immer noch mit 70 - 100 km/h, fuhr er weiter. Er konnte nicht mehr klar denken, sah ständig in den Rückspiegel und beobachtete die Straßenränder. Der Wald war gespenstischer als je zuvor und das Schattenspiel des Mondlichts auf der Straße jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken. Das rasende Pochen seines Herzens schnürte ihm die Kehle zu, die Angst schien ihn zu erdrücken. Kurz vor einer Kurve stand plötzlich wieder etwas am Straßenrand, mit glühenden Augen und über zwei Meter groß! Dennis trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, wich auf die andere Straßenseite aus und entkam damit nur knapp den Klauen, welche dafür die Seite des Wagens leicht aufschlitzten. Mit 80 raste er über eine gerade Strecke, das Monster folgte ihm mit nur 50 Meter Abstand und wurde immer schneller. Die Bewegungen des Dings waren unwirklich, beinahe zeitlupenartig und doch von so enormer Geschwindigkeit, dass es unmöglich aus der bekannten Natur stammen konnte.
Er fuhr jetzt 100 Km/h und schaffte die Kurven nur noch mit Mühe, als das Biest mit einen unglaublichen Sprung auf das Dach gelangte und seine langen Krallen durch das Blech schlug und es quer aufschlitzte. Mit einer Vollbremsung schleuderte Dennis die Gestalt vom Dach auf die Straße, dann beschleunigte er wieder und überfuhr das Monster. Im Rückspiegel sah er es auf der Straße liegen, aber sofort sprang ein weiteres Wesen aus dem Wald auf die Straße und nahm die Verfolgung auf. Dennis beschleunigte sofort, aber das Biest sprang mit einem gewaltigen Satz auf das Dach, dann auf die Motorhaube. Als es seine Krallen durch das Blech in den Motor schlug, machte er wieder eine Vollbremsung und fuhr dann über die krachenden Beine des aufschreienden Monsters.
Mit 100 raste er weiter und konnte bereits die Lichter der ersten Häuser eines Dorfes oder einer Stadt sehen, als plötzlich zwei der Wesen aus dem Dickicht sprangen und sich auf den Wagen stürzten. Das Ortsschild konnte er bei Tempo 130 noch gerade so erkennen, als eines der Biester auf der Wagenunterseite diverse Rohre und Bleche aufschlitzte, und das andere über die rechte Wagenseite zur Motorhaube kletterte. Der Wagen geriet außer Kontrolle und streifte einige parkende Autos am Straßenrand, das Monster auf der Motorhaube stürzte dabei runter und wurde überrollt. Unkontrolliert schleuderte der Wagen hin und her, bis er auf die Seite kippte und sich mehrmals überschlug.
Als Dennis aus der Bewusstlosigkeit aufwachte, war er in dem schrottreifen Wagen eingeklemmt, schien aber keine schwereren Verletzungen zu haben. Er versuchte zu erkennen, wo er sich befand, als plötzlich eine Bestie ihren Kopf durch das eingeschlagene Wagenfenster steckte und einen schrillen Schrei ausstieß, der seinen Kopf zu zersplittern schien. Das offene Maul kam näher und wollte gerade seine riesigen Zähne in seinen Hals versenken, als eine laute Sirene ertönte und ein Krankenwagen blau aufblitzend um eine Straßenecke fuhr. Das Biest sah sich um und verschwand sofort irgendwo am Straßenrand, der Krankenwagen hielt an und Dennis fragte sich noch immer, ob das vielleicht nur ein böser Alptraum war.

Ein kleiner Raum mit gepolsterten Wänden.
Eine unbequeme Zwangsjacke.
Ein junger Mann sitzt auf dem Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, er schlägt seinen Hinterkopf immer wieder gegen die weiche Polsterung.
Das Geräusch eines Schlüssels, der sich in einem Schloss dreht.
Die Tür öffnet sich und mehrere Männer und Frauen mit weißen Kitteln kommen herein.
Sie sehen ihn an, er beachtet sie nicht.
Worte dringen in seinen Kopf, ihre Bedeutung versteht er nicht.
"...besonders schwerer Fall..."
"...kein Bezug zur Realität..."
"...nicht mehr gesprochen..."
"...Hoffnung aufgegeben..."
"...unerklärlich..."
"...seltsames Ereignis..."
"...keine Hoffnung mehr..."
"...nach der Visite auf den Golfplatz..."
"...Erhöhung der Medikamentendosis..."
Eine Tür schließt sich, ein Schlüssel dreht sich.
Ein Kopf schlägt gegen eine gepolsterte Wand.