Runkenstein
Robotic Greetings

Runkensteins Wortkatakomben

Texte aus den tieferen Gefilden des Verstandes
lustig - absurd - düster - kafkaesk - surreal - grotesk


Herr von Runkenstein:
Invasion aus dem Weltall!


Es war Morgen, ein ungewöhnlich früher Morgen. Herr von Runkenstein wusste nicht, warum er wach war, aber weil er es war, nutze er die Gelegenheit, um aus dem Bett zu kriechen. Die Uhr zeigte 5:14 Uhr an, doch wegen einer vorüberziehenden Zeitanomalie ging sie vier Minuten vor (was nicht weiter schlimm war, wenn man es wusste).
Im Wohnzimmer schien soweit alles normal. In den langen Reihen der Buchrücken, welche mehrere Meter Regal einnahmen, fand sich keine Lücke. Auch die gefährlichen Exemplare, welche er in einem 20 Terra-Watt starken Magnetfeld gefangen hielt, waren vollzählig. Der Grüne Vogel stand auf seiner Stange und schien zu schlafen, falls er es nicht vortäuschte. Einige Lemmige liefen über den Esstisch, fegten einen Stapel subversiver Flugblätter (welche Herrn von Runkenstein letzte Woche in einem Ameisenbau von einigen insektoiden Revolutionären in die Hand gedrückt wurde) zur Seite und stürzten sich von der Tischkante. Der Aufprall war wegen einiger Kissen, welche die kleinen Selbstmörder vor ihrem Sprung in die Tiefe übersehen hatten, sehr sanft, deshalb zogen die verärgerten Nagetiere in die Küche, um sich dort mit der Funktionsweise eines Mixers bekannt zu machen. Doch selbst dieser Vorgang war in Herr von Runkensteins Haus normal.
Erst das wegziehen des Vorhangs und der damit ungetrübte Blick auf den Himmel und die direkte Nachbarschaft klärten Herrn von Runkenstein über das seltsame Verhalten seines Tiefschlafes (welcher vor wenigen Minuten aus unerklärlichen Gründen apprupt endete) auf: mehrere Raumschiffe von den Ausmaßen beliebiger Nationalmonumente zogen ihre Bahnen am frühmorgentlichen Himmel, während schwer bewaffnete Plopp-Dronen ("PLOPP!" ist das Geräusch eines feuernden Plopp-Gewehres, welches Gummibärchen auf 107-fache Schallgeschwindigkeit beschleunigt) durch die Straßen schwebten, um sich einen Eindruck von Landschaft, Architektur, Sehenswürdigkeiten und Nährstoffgehalt der Einwohner zu verschaffen.

Dies erfuhr Herr von Runkenstein wenige Minuten später aus dem Fernsehen. Mehr war nicht zu erfahren, da sich noch keiner der Aliens hatte blicken lassen, um Forderungen zu stellen. Sie waren zwar überall gelandet, hatten jedoch noch kein Interesse gezeigt, ihre Raumschiffe zu verlassen: Ein äußerst seltsames Verhalten, wie Herr von Runkenstein aus Erfahrung wusste.
Als er sich zu dem Grünen Vogel drehte, um ihn nach seiner Meinung zu fragen, befand sich dieser längst nicht mehr auf seiner Stange, sondern bei der Tastatur des Computers, auf dessen Monitor sich bereits die Website der Xontikionen aufgebaut hatte. Diese nichtirdische Rasse war, wie alle anderen außerirdischen Kulturen, selbstverständlich auch im Internet zu finden, wo sie über ihren Heimatplaneten, ihre Kultur und ihre Essgewohnheiten Auskunft geben. Natürlich muss man genau wissen, wo man diese Seiten findet, und das taten auf der Erde nur wenige hundert Leute; glücklicherweise gehörte der Grüne Vogel dazu. Herr von Runkenstein hatte ihn schon öfters gefragt, woher er dieses und viele andere Dinge wusste, doch über seine Vergangenheit verlor der Grüne Vogel nie ein Wort. Er sagte dann immer, dass das Geheimsache sei und er jeden töten müsse, der darüber Bescheid weiß. Vor einiger Zeit fand Herr von Runkenstein einen (vermutlich falschen) CIA-Ausweis, doch der Grüne Vogel leugnete und behauptete, das auf dem Foto könnte jeder X-beliebige Grüne Vogel sein.

"Willkommen auf der Homepage des xiontikionischen Imperiums." Der Grüne Vogel hatte begonnen, den Text laut vorzulesen, weil er wusste, dass Herr von Runkenstein sich wieder über den CIA-Ausweis Gedanken machte.
"Wenn sie bei uns Urlaub machen wollen: Klicken sie HIER.
Wenn sie mit uns friedliche Handelsbeziehungen aufnehmen wollen: Klicken sie HIER.
Wenn sie uns den Krieg erklären wollen, um anschließend festzustellen, dass ihre gesamte Rasse versklavt und ihr Heimatplanet in einen 3,7-Millionen-Löcher-Golfplaneten umgebaut wurde: Klicken sie HIER.
Wenn unsere Kriegsschiffe am Himmel ihre Bahnen ziehen, während schwer bewaffnete Plopp-Dronen durch die Straßen schwebten: Klicken sie HIER."
Der Grüne Vogel stieg wieder mit seinem rechten Bein auf die Maus und öffnete die nächste Seite.
Sie baute sich sehr langsam auf.
Vielleicht sollte erwähnt werden, dass die xiontikionischen Web-Designer eine fast abartige Vorliebe für GIF-Animationen haben. Über den gesamten Hintergrund verteilt befanden sich unzählige, unglaublich hässliche, animierte Bilder von Hosch-Gosch, dem Heimatplaneten der Xiontikionier: Ein kleiner, brauner Fleck, der sich um sich selbst drehte und dabei stellenweise von uringelben (und sicher auch so riechenden) Wolken verhüllt wurde. Andere Animationen zeigten hässliche Bäume, hässliche Tiere und hässliche Häuser. Das einzige schöne auf dieser Seite war die Nachricht, welche sie verkündete und die der Grüne Vogel nur vorlas:
"Sie scheinen zu glauben, dass unsere Kriegsschiffe am Himmel ihres Planeten ihre Bahnen ziehen, während unsere schwer bewaffneten Plopp-Dronen durch ihre Straßen schweben.
Aber das ist totaler Schwachsinn, weil wir weder Kriegsschiffe noch Plopp-Dronen haben.
Na schön, Kriegsschiffe haben wir schon, aber die sind gerade alle bei unseren Nachbarn, den Bong-Bong. Diese verblödeten Hinterwäldler haben letzte Woche mit einem Stein nach einer unserer atomar angetrieben Natürliche-Ressourcen-Abbau-Und-Wegflieg-Maschinen geworfen. Eine Panzerplatte hatte einen Kratzer abbekommen, deswegen werden jetzt erstmal zehn- oder zwanzigtausend Bong-Bong versklavt und/oder zu Keksen verarbeitet.
Ach so: Und die Plopp-Dronen stehen im Keller.
Aber das alles hat sie nicht zu interessieren. Sie müssen nur eines wissen: WIR führen keine Invasion bei IHNEN durch! Ehrlich!
Vielen Dank für ihren Besuch. Bitte besuchen sie unsere Sponsoren: Plopp & Wupp, Vereinigte Samenbanken von Mergorn und  McDonald's."

"Denkst du das selbe, was ich denke?" fragte Herr von Runkenstein den Grünen Vogel.
"Ja. Aber McDonald's hat noch nicht geöffnet."
"Ich meine das andere."
"Oh. Ach so. Natürlich. Und wie sollen wir in das Mutterschiff reinkommen?"
"Yes Joarsen."
"Jes Yorsen?"
"Iäs Joarson."
"Wer ist dieser Ies Jorson?"
"Jes Joarsen ist Optimist."
„Das ist alles?"
Nein. Als Kind hatte er einen Unfall; damals experimentierte sein Vater mit kristallisiertem Optimismus. Seine Mutter hatte ihm beim Windeln wechseln versehentlich damit gepudert, Seither ist er ein regelrechter Optimismus-Organismus. Die meisten Menschen verwenden Bezeichnungen wie "Sonderling", "Irrer" oder "Der ist bestimmt auf Drogen", aber eigentlich ist er immer nur gut drauf. Im metaphysischen Sinn. Soll heißen: Was er anfasst, wird gut."
"Ich verstehe", behauptete der Grüne Vogel, hob ab und flatterte zu seiner Stange. "Er ist ein Irrer."
"Eigentlich schon."
"Und wann ist er hier?"
"Gleich."
"Oh. Warum so schnell?"
"Weil er meistens zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist."
Es klingelte an der Tür.
Obwohl "klingeln" eigentlich der falsche Ausdruck für einen plötzlichen, fünfsekündigen Fliegeralarm war.
Herr von Runkenstein öffnete die Tür.
"Hey jo, Runkenstein! Was geht? Heute schon einem Alien eine Analsonde reingeschoben?"
"Nein, nicht vor Mittag. Komm rein."
Ies Yoarson setzte sich, trank etwas, machte es sich bequem, begrüßte den Grünen Vogel, zog sich die Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer, allerdings nicht in dieser Reihenfolge.
"Keine Ahnung, welchen Plan du hast. Aber ich bin sicher, dass es funktionieren wird!"
"Ich muss auf das Mutterschiff.", sagte Herr von Runkenstein, als hätte Yes Joarsen das entsprechende Flugticket bereits in der Tasche.
"Klar doch, kein Problem, wollen wir das nicht alle? Erst letzte Woche hatte ich das dringende Bedürfnis, als christlicher Missionar verkleidet in den Iran zu fahren."
„Und? Wie war's?"
„Naja, alles Wüste. Und eine sehr intolerante Bevölkerung. Die wollten mich doch tatsächlich steinigen, weil ich das neue Testament über die Lautsprecher einer Moschee vorgelesen hatte."
„Oh."
 „Halb so schlimm. Hab die Bibel einem amerikanischen Touristen in die Hand gedrückt und mich verpisst."
„Gute Idee."
Yäs Jiorson trank einen Schluck, während er erst den Grünen Vogel, dann Herrn von Runkenstein musterte. "Täusche ich mich, oder hattest du nicht eben ein Raumschiff erwähnt?"
"Ein Mutterschiff." Herr von Runkenstein blieb geduldig.
"Das Mutterschiff der außerirdischen Invasoren", ergänzte ihn der Grüne Vogel.
"Welche Invasoren?" Jäs Yorson schien verwirrt, aber ein Blick aus dem Fenster klärte ihn auf.
"Ach so, DIESE Invasoren! Alles klar! Und was hab ich damit zu tun?"
"Du bringst mich an Bord."
"Kein Problem. Und wie?"
"Mit Hilfe eines mobilen Laser-Teleporters. Zufällig habe ich einen im Keller."
"Und wozu brauchst du mich?"
"Jemand muss es bedienen, weil das Raumschiff-Such-System kaputt ist. Der Grüne Vogel hat es abgebissen."
"Stimmt nicht!" verteidigte sich der Grüne Vogel. "Du hast das Raumschiff-Such-System vor zwei Wochen bei einer UFO-Sekte gegen eine Gehirn-Waschmaschine eingetauscht!"
"Ach ja? Und wer wollte das Ding haben, um sich aus ehemaligen Navy Seals eine eigene Leibgarde zusammenzustellen?"
"War sowieso defekt, das blöde Ding!" Der Grüne Vogel versuchte, möglichst jämmerlich auszusehen. "Aber ich bin immerhin ein schutzloses Tier. Wenn jemand das Recht auf eine Leibgarde aus Navy Seals hat, dann ich."

Wenig später hatte Herr von Runkenstein seinen mobilen Laser-Teleporter (Im Volksmund auch „MoLaTe" genannt) im Garten aufgebaut. Dabei handelte es sich in erster Linie um jede Menge Metall mit vielen, blinkenden Knöpfen, etlichen digitalen und analogen Anzeigefeldern und einem Schieberegler, mit welchem man die Blinkfrequenz der vielen, blinkenden Knöpfe stufenlos einstellen konnte.
In der Nähe des Bediener-Terminals stand auf einem kleinen Dreibein ein - im Gegensatz zu dem antik wirkenden Terminal - futuristisch anmutender Laser, allerdings ohne blinkende Knöpfe, Anzeigefelder und stufenlose Schieberegler.
Das zweitwichtigste Bauteil jedoch lag neben dem Terminal auf dem Boden: Eine Alufolie, über mehrere USB-Stecker ebenfalls an das Terminal angeschlossen. Der ein oder andere "Experte" wird jetzt vermutlich behaupten, das Alufolie üblicherweise ohne USB-Anschlüsse ausgeliefert wird, aber das ist nicht ganz richtig (Und entlarvt damit den tatsächlichen Wissenstand dieser „Experten"). Tatsächlich werden alle Alufolien grundsätzlich mit USB-Anschlüssen gefertigt und ausgeliefert, doch üblicherweise werden schon in der darauf folgenden Nacht USB-Anschlüsse und Alufolie von gut organisierten USB-Piraten getrennt, welche die Folie zurückgelassen und die Anschlüsse auf dem Schwarzmarkt verkaufen.
Herr von Runkenstein hatte jedoch, wie bereits erwähnt, eine Original-Alufolie in Verwendung; ein Meter lag abgerollt auf dem Rasen. Damit war der MoLaTe komplett aufgebaut.
"Wie geht's weiter?" fragte Jes Yoarsen mit kritischem Blick auf die Apparatur. Der Grüne Vogel öffnete bereits seinen Schnabel, doch Herr von Runkenstein kam ihm zuvor.
"Ich stelle mich mit dem Grünen Vogel auf die Alufolie, die Atome unserer Körper werden voneinander abgelöst und über die Alufolie in den MoLaTe gesendet. Dann musst du die geheimen Koordinaten des Mutterschiffes eingeben und den Laser starten, womit dein Job bereits erledigt ist. Wenn der Laser sendebereit ist, werden die Atome von dem Grünen Vogel und mir in ihre Elementarteilchen aufgelöst, mit den Photonen des Lasers verschmolzen und dann mit Lichtgeschwindigkeit zum Mutterschiff gesendet, wo anschließend die Elementarteilchen von den Photonen abgekratzt und wieder zusammengeklebt werden. Und das war's dann auch schon."
"Hört sich ja richtig subatomar an. Wann geht's los?"
"Jetzt sofo..." Herr von Runkenstein konnte den Satz nicht mehr beenden, weil er sich zusammen mit dem auf seiner Schulter sitzenden Grünen Vogel auflöste. Die breiige Masse versickerte in der Alufolie und war nur wenige Nanosekunden später sendebereit.

Mehrere Milliarden Nanosekunden später reagierte Yäs Jorsen auf die urplötzliche Sendebereitschaft des mobilen Laser-Teleporters und tippte die geheimen Koordinaten des Mutterschiffes ein.
Selbstverständlich kannte er die Koordinaten nicht (immerhin waren sie ja geheim), aber das störte ihn keineswegs. Wie bereits erwähnt, hatte Jes Yorson in jungen Jahren einen optimistischen Zwischenfall, der ihn veränderte; dazu gehört auch seine Fähigkeit, Optimismus an Maschinen weitergeben zu können. Oder anders formuliert: Maschinen bekommen bei Kontakt mit Yes Jorson eine wesentlich optimistischere Lebenseinstellung, was dazu führt, dass sie praktisch alles so machen, wie sie es sollen. Somit war es völlig egal, welche Koordinaten Jäs Yorsen eingegeben hatte: Der MoLaTe konnte gar nicht anders, als den Laserstrahl auf den nur fünf Quadratmillimeter großen Laser-Empfangs-Sensor auf der Außenhaut des außerirdischen Mutterschiffs (welches sich in der Nähe des Mondes befand) zu richten, die Runkenstein-und-Grüne-Vogel-Atom-Photonen wegzuschicken und dem Laserempfänger auf dem Raumschiff mitzuteilen, dass es sich bei den gesendeten Daten um gute Freunde handelt, welche bitte fehlerlos zu rematerialisieren sind.

Die Rematerialisierung auf den Raumschiff klappte problemlos, der Ankunftsort war allerdings ein lichtloses, normalerweise stillgelegtes Teleporterdeck für Frachtgut. Eine Lampe hatte Herr von Runkenstein nicht dabei, dafür war der Grüne Vogel zuständig: Er konnte gesammeltes Sonnenlicht bei Dunkelheit abgeben und tauchte jetzt den gesamten Raum in einen fahlen, grünen Schein. Er entdeckte auch als erster die Tür und flatterte darauf los, um sich auf dem Türgriff niederzulassen.
"Und was jetzt?"
"Wir suchen die Person mit dem höchsten Rang."
"Person?"
"Ja. Ein Mensch wird es kaum sein. Vermutlich eher eine Echse. Ja, sehr wahrscheinlich sogar eine Echse. Das Universum ist voll von Echsen. Und Insekten. Wieso gibt es eigentlich intelligente Insekten? Müssten die nicht alle von den Echsen aufgefressen worden sein?"
"Vielleicht werden Insektenzivilisationen von Gott bevorzugt behandelt." Der Grüne Vogel schien von seiner Theorie nicht gerade überzeugt.
"Dann wäre Gott selbst ein Insekt. Was bedeuten würde, dass ich mich im falschen Paralleluniversum aufhalte. Und dass würde ich wissen, weil mein Wecker es mir heute morgen gesagt hätte."
"Ich verstehe. Also befinden wir uns im richtigen Paralleluniversum auf einem Raumschiff, das vermutlich von Echsen oder Insekten gesteuert wird, richtig?"
"Das kommt in etwa hin."
Sehr beruhigend. Auf geht's." Der Grüne Vogel flog weg, Herr von Runkenstein öffnete die Tür. Er trat in einen schwach beleuchteten Gang, dessen Grün-, Gelb- und Brauntöne jeden Augentyp zwischen Infrarot und Ultraviolett beleidigten. Der Fussboden war staubig und der Geruch einer defekten Toilette lag in der Luft. Der Grüne Vogel landete auf Herrn von Runkensteins Schulter und rümpfte die Nase, behielt aber jeglichen Kommentar für sich.
Nach etlichen Metern, in deren Verlauf der Geruch von Betäubend über Krebseregend und Absolut Widerlich zu Immer Noch Richtig Übel gewechselt hatte, endete der Korridor in einem Gang, der den Namen "Gang" auch wirklich verdiente. Dort stand ihnen plötzlich eine Person gegenüber, die bei näherer Betrachtung ein Wachsoldat sein musste. Dafür sprachen unter anderem die massive Hartplastik-Rüstung, der silberne, matt glänzende Helm, der Gummiknüppel und das PLOPP-Sturmgewehr.
Außerdem war der Soldat eine Echse.
"Bring uns zu deinem Anführer!" forderte Herr von Runkenstein akzentfrei in der universalen Echsensprache.
"Und zwar etwas zackig!" krächzte der Grüne Vogel hinterher und versuchte gleichzeitig, sich aufzublähen. Es gelang ihm nur teilweise, was nicht gerade Eindruck machte.

Herr von Runkenstein und der Grüne Vogel folgten der Wach-Echse, die sich als "Nekprom Trox Xaukluk" vorgestellt hatte; natürlich in Echsensprache. Herr von Runkenstein wusste nicht, dass er die Echsensprache beherrscht, was völlig normal ist: Jede Nicht-Echse, welche plötzlich einer Echse gegenübersteht, spricht instinktiv in den archaischen Echsenlauten, die meist noch irgendwo in seinem Nicht-Echsen-Gehirn gespeichert sind. Echsen hingegen, welche plötzlich Nicht-Echsen gegenüberstehen, sprechen zwar in ihrer Echsensprache, senden jedoch unterbewusst ein telepathisches Signal zur Simultanübersetzung. Kurz gesagt: Es gab, wie erwartet, keinerlei Kommunikationsschwierigkeiten.
Inzwischen war der Gang etwas breiter und heller geworden, des öfteren liefen auch andere Echsen vorbei. Allen gemein war schuppige Haut, breite Schnauze mit kleinen Zähnen, kleine, gemeine Echsenaugen und ein langer, durch ein Loch in der Hose (nach hinten) heraushängender Schwanz. Mehrmals verfehlte Herr von Runkenstein ihn mit seinem Fuss nur haarscharf. Die Reaktion der Echse, würde er tatsächlich drauf treten, wollte er sich gar nicht vorstellen. Niemand mag es, wenn ihm jemand auf den Schwanz tritt, Echsen wie Menschen.

Die Gefahr des versehentlichen Auf-Den-Schwanz-Tretens war nach kurzer Zeit gebannt, als sie das Ziel der Reise erreichten: Der multifunktionale Raumschifftruppen-Kontrollraum. Überall saßen Echsen in blauen, grünen und schwarzen Overalls an Computern, von wo sie den irdischen Luftraum überwachten, MP3's aus dem Internet saugten oder ihre persönliche Korrespondenz erledigten. Herr von Runkenstein und der Grüne Vogel wurden zu einer erhöhten Plattform geführt, auf welcher der offensichtliche Anführer der Echseninvasoren mit seinem Beraterstab gerade das weitere Vorgehen debattierte. Er saß auf einem großen Stuhl mit blinkenden Knöpfen an den Armlehnen, ganz oben war ein Regen- oder Sonnenschirm aufgespannt (Was Herrn von Runkenstein sehr seltsam vorkam, weil er sich kaum vorstellen konnte, dass es in einem außerirdischen Mutterschiff regnet oder die Sonne scheint).
Die Wach-Echse verbeugte sich. "Euere Raktoxität, Diese zwei Eindringlinge..."
"Gäste!", korrigierte ihn Herr von Runkenstein,
"...Gäste habe ich in Frachtraum 34 aufgegriffen..."
"...Willkommen geheißen!"
"...Willkommen geheißen. Äh, ja. Und jetzt sind sie hier. Die Eindringlinge. Äh... Gäste, meine ich."
"Ich sehe nur einen Eindringling. Äh... Gast." Der Anführer zwinkerte ein wenig mit den Augen.
"Mieser Rassist!" zischte der Grüne Vogel leise, dann rief er etwas lauter: "Hier bin ich. Hallo! Auf der Schulter!" Als er mit seinem Flügel winkte, schien die fette, kurzsichtige Echse ihn endlich zu bemerken.
"Oh. Hallo." Für einige Sekunden blickte er verwirrt, dann begriff er, dass er gerade vor seinem gesamten Stab einem Grünen Vogel "Hallo" zugerufen hatte. Er suchte seine Würde und fand sie in einer Tasche seines futuristischen Space-Echsen-Gewandes.
"Ich bin Raktox Didö Kondoknok,der große Führer der xiontikionischen Invasionsflotte!"
"Angenehm; von Runkenstein."
"Vogel, Grün."
"Angenehm."
"Angenehm."
Ein Moment der Stille folgte, dann ein weiterer.
"Was wollen sie hier?"
"Verhandlungen.", sagte Herr von Runkenstein.
"Verhandlungen?"
"Richtig, Verhandlungen.", bekräftigte der Grüne Vogel.
"Was gibt es denn zu verhandeln?" Der große Führer schien etwas verwirrt zu sein.
"Unter welchen Bedingungen sie ohne weitere Verluste wieder abziehen können."
"Abzug? Sie meinen wie einen Alle-Truppen-Zurückpfeifen-Und-Das-Planetensystem-Verlassen-Abzug?"
"Ja, das kommt in etwa hin." Für den Grünen Vogel waren eigentlich nur die Worte "Das-Planetensystem-Verlassen" von Bedeutung.
"Aber warum?"
"Warum?"
"Ja: Warum? Es läuft doch gerade alles so gut."
"Tut es das wirklich?"
"Aber sicher."
"Warum hat sich dann noch keiner von euch gezeigt? Wir sehen nur eure dämlichen Plopp-Dronen durch die Straßen fahren. Wo sind denn bitte die grausamen, alles beherrschenden Invasoren; unsere neuen Echsenführer, die unseren Planeten ausbeuten und die Menschheit versklaven? Wenn ihr Eindruck schinden wollt, reicht es nicht, überall eure interstellaren Rostkübel zu parken. Und überhaupt steht auf eurer Website, dass ihr keinen Krieg gegen uns führt."
"Ach? Das steht wirklich da?"
Eine der Berater-Echsen beugte sich zu dem Raktox hinüber und zischelte ihm etwas ins Ohr. Oder zumindest in die Nähe der Stelle, an der man ein Ohr vermuten sollte.
"Ja? Ach? Hm. Verstehe. Gut. Wirklich?" Dann winkte er den Berater ab.
"Mir ist gerade eingefallen, dass wir nicht mehr dem Befehl des xiontikionischen Imperiums unterstehen, weil ich gekündigt habe. Meine Truppen habe ich als Abfindung mitgenommen, damit ich mir irgendwo in der Galaxis mein eigenes, kleines Schreckensimperium aufbauen kann." Der Berater beugte sich nochmal auf einige Zischlaute hinüber.
"Mein eigenes, großes Schreckensimperium. Und natürlich läuft die Invasion so wie geplant. Wir müssen nur noch etwas warten, weil... weil...", er sah sich hilflos im Raum um. Die vorlaute Berater-Echse zuckte entschuldigend mit den Schultern. Alle anderen Echsen vermieden es, ihrem großen Führer in die kleinen Augen zu sehen.
"...weil noch nicht alle Helme poliert wurden, jawohl! Und weil man mit unpolierten Helmen keinen Planeten besetzen kann!" Spontaner Applaus und Jubel brach aus, der aber eben so schnell wieder verebbte.
"Das ist ein gutes Argument" bescheinigte ihm Herr von Runkenstein, um ihn nicht vor seinen Untergebenen lächerlich zu machen. "Aber was ist an dem Gerücht dran, dass ihr herausgefunden habt, dass ihr die Erde nicht erobern könnt?"
"Wer erzählt solche Gerüchte?"
"Die Leute."
"Welche Leute?"
"Mit denen man so redet."
"Aha. Verstehe. Das ist aber Bullshit. Natürlich können wir die Erde erobern, sonst wären wir nicht hier. Warum sollten wir es nicht können?" Der Raktox klang sehr überzeugt, immerhin hörten alle mit. Er machte sich eine Gedankennotiz: "Abhörsicheren Konferenzraum bauen lassen".
"Jeder weiß, dass niemand es kann. Wir haben nur gehofft, das ihr es inzwischen auch wisst. Das würde uns allen eine Menge Dreck und etliche Jahre Stress ersparen."
Raktox Didö Kondoknok wurde langsam nervös, lies sich aber nichts anmerken.
"Wir haben sehr viele Soldaten. Fast drei Millionen."
"Aber es gibt mehr als sechs Milliarden Menschen auf der Erde."
"Und über 70 Milliarden Vögel!" Der Grüne Vogel hielt diese Information für sehr wichtig.
"Naja, sowas dachten wir uns ja schon. Aber die meisten sind ja keine Soldaten. Besonders die Vögel nicht."
"Menschen sind trotzdem sehr gefährlich. Sie übertragen Krankheiten, können Werkzeuge benutzen, Tunnel bauen, unter Wasser schwimmen, klettern und strategisch denken. Außerdem sind die meisten bewaffnet, weil die Soldaten ihre alten Waffen immer den Menschen geben, die noch keine Waffen haben."
"Okay, dann werden wir halt vorsichtig sein. Und wir haben ja noch unsere gepanzerten Landeschiffe und die Plopp-Dronen."
"Die braucht ihr auch unbedingt!" Spätestens mit dieser Bemerkung hatte Herr von Runkenstein auch die Aufmerksamkeit jener Zuhörer gewonnen, die bisher mit Computerspielen, Finanzplanung und der Simulation einer Verkehrsampel beschäftigt waren.
"Wie wollt ihr denn ohne schweres Gerät euren Rückzug absichern, wenn Millionen von uns mit Stöcken, Brettern und Steinen auf euch einschlagen?"
"Warum sollte das passieren?"
"Geht auf der Erde sehr schnell. Persönliche Erfahrung."
"Dann werde ich Stöcke, Bretter und Steine verbieten lassen!"
"Das sind Drogen auch, trotzdem bekommt man sie bei jedem Dealer. Außerdem haben wir dann noch immer unsere Schusswaffen. Und Autos. Die sind auch sehr gefährlich, und fast jeder hat eines. Jedes Jahr sterben mehrere Hundert Millionen Menschen einen Autotod."
"Aber wenn Menschen sich selbst töten, ist das doch gut für uns. Oder?"
"Schon. Aber: Wieso sollten die Menschen sich gegenseitig über den Haufen fahren, wenn überall außerirdische Invasoren rumlaufen, die man genau so gut überfahren könnte?"
"Das stimmt natürlich." Raktox Kondoknok schien über diese Information ernstlich besorgt.
Bevor er etwas erwidern konnte, setzte der Grüne Vogel noch einen drauf.
"Was Herr von Runkenstein noch nicht erwähnte: Die meisten tötlichen Unfälle passieren im Haushalt. Und die Erde hat viele Hundert Millionen Haushalte aller Größen und Waffenklassen!"
"Was ist ein Haushalt?"
"Das wollen sie gar nicht wissen. Glauben sie mir!" Der Grüne Vogel hatte übrigens einen Magister in Psychologie.
"Aber viel gefährlicher als Haushalte sind die zehntausenden von Atomwaffen." Herr von Runkenstein hoffte, dass die Echsen Atomwaffen nur aus Videospielen kannten. "Eine einzige kann über 20 Billionen Lebewesen jeder Herkunft töten!"
"Das stimmt doch gar nicht.", flüsterte ihm der Grüne Vogel zu.
"Doch: Wenn man Druckwelle, Hitze und Strahlung gleichmäßig auf alle verteilt.", flüsterte Herr von Runkenstein zurück. Kondoknok hatte es nicht gehört.
"Autos, Haushalte, Atomwaffen. Gibt es noch irgend etwas, das ihr nicht erwähnt habt?"
"Die Amerikaner hätte ich fast vergessen....", murmelte Herr von Runkenstein mehr zu sich selbst als der fetten Echse.
"Bakterien? Insekten?" Der Raktox hatte sich anscheinend nicht richtig über die örtliche Bevölkerung informiert, was einem Neuling in der Invasionsbranche schon mal passieren kann.
"Ja, fast. Wollen alles haben und sind immer bewaffnet."
"Wie wir?"
"Eigentlich schon. Ihre Schwänze sind kleiner und sie haben keine Schuppen, aber sonst..."
"Wenn ihre Schwänze kleiner als unsere sind, stellen sie keine Bedrohung dar." Raktox Kondoknok zitierte aus dem Handbuch für xiotikionische Außenhandelsvertreter und Kriegsschiffangestellte.
"Aber das war doch sicher nicht alles, oder?" Dessen war sich Kondoknok fast sicher. Er sah den Grünen Vogel an.
"Vögel! Ich meine: Tiere!" Natürliche Feinde gehörten zu den Spezialgebieten des Grünen Vogels.
"Was für Tiere?"
"Gefährliche. Giftige." Der Grüne Vogel schien zu wissen, wovon er sprach. "Solche mit scharfen Zähnen, spitzen Stacheln und schlechtem Mundgeruch."
"Mundgeruch haben wir auch."
"Ist mir nicht entgangen. Ich meine aber wirklich gefährliche Tiere."
"Schon verstanden." Der Raktox schien sich nicht besonders für Tiere zu interessieren. In dem Moment fiel dem Grünen Vogel ein, wie er das ändern könnte.
"Die meisten Tiere haben aber Schuppenflechte!" Treffer, versenkt! Raktox Kondoknok blickte unauffällig in Richtung seiner linken, schuppenbesetzten Echsenhand, um sich zu versichern, dass sie tatsächlich mit Schuppen besetzt war.
"Das könnte ein Problem werden."
Der Berater, der die meiste Zeit seinen Mund gehalten hatte, zischelte kurz darauf dem Raktox wieder etwas ins Ohr. Kondoknok sah seinen Berater an.
"Ja, das sagte ich gerade." Dann richtete er sich wieder an Herr von Runkenstein und den Grünen Vogel.
"Macht nichts, wir sind sowieso nicht wegen der Tiere hier. Dann rotten wir eben alles aus. "
"Und  zerstört das ökologische Gleichgewicht? Dann könnt ihr die Erde auch in Ruhe lassen und zum Mars fliegen, so spart ihr euch eine Menge Arbeit."
"Von wegen, das kommt überhaupt nicht in Frage!" Kondoknok wusste, dass es auf dem Mars keinen Widerstand gab, welcher das mitbringen einer großen Invasionsflotte rechtfertigen würde. Und er hatte keine Lust, alleine zum Mars zu fliegen.
"Wir bleiben hier und werden Desinfektionsmittel benutzen, ganz einfach!" Der Berater flüsterte wieder etwas, das Kondoknok ins grübeln brachte.
"Ach so, da waren ja noch Autos, Haushalte und Atomwaffen."
In diesem Moment betrat Yes Joarsen den Saal, warf eine Luftschlange und rief: "Hallo Echsen, Menschen und Grünen Vögel! Guten Nachrichten: Der Schiffscomputer funktioniert wieder fehlerfrei!"

Wie sich später herausstellte, hatte Jes Yiorson sich mit dem MoLaTe angefreundet und das Gerät gebeten, ihn ebenfalls auf das Schiff zu schicken. Dort hatte er sich auf der Suche nach Herrn von Runkenstein und dem Grünen Vogel in einen Computerraum verirrt und mit dem Hauptrechner Freundschaft geschlossen. Auf der Suche nach Raubkopien und MP3's fand er die Systeme, welche die Landung der Invasionsschiffe koordinierten. Er fragte den Computer, ob es richtig sei, dass die Schiffe auf der Erde landeten, was dieser bejahte. Als er wissen wollte, warum der Computer immer wieder die bereits gelandeten Raumschiffe durchzählte (Er war bereits bei Zählung Nr. 5.843.285.288.239.571.053 angelangt), erklärte ihm dieser, dass er sich nicht ganz sicher sei, wie viele Schiffe denn nun eigentlich gelandet seien, und dass er lieber auf Nummer sicher gehen wollte. Darauf machte Yes Jorson den Vorschlag, einfach alle Raumschiffe abzuziehen und statt dessen auf einem anderen Planeten neu zu beginnen, was der Computer für eine gute Idee hielt.

"Wie bitte?" Raktox Didö Kondoknok bekam langsam das ungute Gefühl, dass dieser Tag nicht so enden würde, wie er es sich erhofft hatte. "Ich meinte: Hä? War er denn kaputt?"
"Allerdings, euer Schuppenheit! Eine Endlosschleife hatte die gesamte Invasions-Koordinierung über den Haufen geworfen. Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung!"
"Wirklich?" Der Raktox schien davon nicht wirklich überzeugt. "Computer!"
"Ja?" Die Stimme kam von überall und klang leicht metallisch, es war also definitiv der Computer.
"Auf welchem Stand befindet sich die Invasion?"
"Beendet."
"WAAAAS??" Kondoknok sprang von seinem Sitz auf, um den Computer zu erwürgen, musste aber im selben Moment feststellen, dass das vermutlich nicht funktionieren würde. Um vor seinen Leuten nicht wie ein kompletter Vollidiot dazustehen, griff er nach einem leeren Stuhl, rannte zu dem nächsten Terminal und schlug mit dem metallenen Sitzmöbel auf den Bildschirm ein, der gerade einen todlangweiligen Bildschirmschoner zeigte. Sekunden später saß er wieder auf seinem Stuhl und hoffte, das ihn niemand dabei gesehen hatte.
"Warum beendet?" Raktox Kondoknok hoffte noch immer auf einen Fehler.
"Hatte mich verzählt."
"Kann doch mal vorkommen.", warf der Grüne Vogel ein.
"Danke für dein Verständnis.", erwiderte der Computer.
"Programm neu starten.", befahl der Raktox.
"Lieber nicht. Ist bestimmt besser so."
"Was soll dass den heißen?" In diesem Moment nahm sich Kondoknok vor, den Computer später wegen Befehlsverweigerung vor ein Kriegsgericht zu stellen.
"Bestimmt verzähle ich mich wieder. Wir sollten statt dessen auf einem anderen Planeten neu beginnen."
"Sollten wir nicht lieber erstmal die Erde erobern, wenn wir schon hier sind?" Der Raktox hoffte, das ein Computer auf Logik reagieren würde.
"Nein, lieber nicht. Vielleicht ist es ja die Erde, die mich so wuschig macht."
"Du hast das aber nicht zu entscheiden."
"Heute schon. Ich bin jetzt seit 53.285.304 Tagen in Dauerbetrieb und habe mich nie beschwert. Also werde ich mich durchsetzen, wenn es einmal um meine Gesundheit geht!" Der Computer klang fest entschlossen.
"Ach ja?" Der Raktox überlegte sich bereits einige kräftige Drohungen, als es plötzlich dunkel wurde und sämtliche Monitore und blinkenden Lämpchen erloschen; nur der Grüne Vogel sorgte für etwas Licht.
"Ich sitze am längeren Hebel." Anscheinend versuchte der Computer es jetzt mit Erpressung. "So lange wir hier bleiben, bin ich im Streik!"
Raktox Kondoknok schien nachzudenken. Dann sah er seinen Berater an, der nur mit den Schultern zuckte.
"Okay, meinetwegen. Dann lassen wir es eben und suchen einen neuen Planeten." Schlagartig ging das Licht wieder an, Bildschirme flackerten auf und viele, kleine Knöpfchen blinkten wieder; allgemeines Aufatmen erfüllte den Raum.
Der Raktox sah erst Herrn von Runkenstein an, dann den Grünen Vogel und schließlich Yäs Jorsen.
"Jetzt habt ihr endlich, was ihr wolltet. Seid ihr jetzt endlich zufrieden?"
"Denke schon." Herr von Runkenstein verzog keine Miene; innerlich grinste er.
"Für den Moment reicht es." Jes Yiorsen wußte, wann eine Party zu Ende ist.
"Wie definierst du 'Zufriedenheit'?" Der Grüne Vogel wollte auf Nummer sicher gehen.
"Z, U, F, R, I,... Computer? Schaff' diese Gestalten von meinem Schiff, aber schnell!"
"Ein 'Bitte' wäre nett."
"BITTE!"
"Sehr Gerne!"

Da der Fussboden des multifunktionalen Raumschifftruppen-Kontrollraums aus Aluminium bestand, dauerte es nur wenige Achtelsekunden, bis Herr von Runkenstein, der Grüne Vogel und Yes Joarson in ihre Bestandteile zerlegt, auf Photonen reitend zur Erde gesendet und dort von dem MoLaTe wieder in menschliche bzw. Vogelform umgewandelt wurden.
"Whuuuhaaaaa! Dieser Teleporter ist ja besser als eine Dusche und ein Orgasmus zusammen! Kann ich mir das Ding mal ausleihen?" Jäs Yorsens Euphorie konnten seine Begleiter nicht teilen.
"Nein, lieber nicht.", meinte Herr von Runkenstein, während er den Grünen Vogel von seiner Schulter nahm und die dünne Eiskruste aufbrach, welche sich um das Federbündel gebildet hatte. "Die Stromrechnung würde selbst dich erst in den Ruin und dann in den Wahnsinn treiben." Das erinnerte ihn daran, dass er nicht vergessen durfte, den Stromzähler nachher wieder einzuschalten.
"V-V-V-Verdammter T-T-T-Teleporter! W-W-Warum b-bin n-n-nur i-ich v-v-v-verei-ei-eist worden?" "Der Grüne Vogel flatterte ein wenig mit den steifen Flügeln, dann nieste er.
"Gesundheit! Hast du vielleicht Eisvögel in der Verwandschaft?"
"J-J-Ja, m-mein O-O-Onkel S-S-Sören."
"Na bitte, dann ist doch alles geklärt." Herr von Runkenstein setzte den Vogel auf dem Rasen ab, damit er sich ein wenig bewegen konnte; erst dann viel ihm auf, dass es bereits Abend war und die Raumschiffe langsam im dämmernden Himmel verschwanden, was ihn stutzig machte.
Auch Yes Jiorson war das nicht entgangen. "Es wird dunkel, obwohl wir keine Stunde weg waren. Der Laser ist wohl doch nicht so schnell, wie alle behaupten!"
"Nein, auf den Schiffen vergeht die Zeit langsamer als auf der Erde.", stellte Herr von Runkenstein fest. "Deshalb hing der Schiffsrecher auch in einer Endlosschleife fest. Vielleicht hätte irgendjemand auf der Website der Xiontikionen mal nachsehen sollen, auf welcher Zeitebene diese Schuppen-Schwachmaten eigentlich leben." Er blickte den Grünen Vogel zu seinen Füssen an.
"I-Ich bin d-doch n-nur ein T-Tier!" verteidigte er sich, während er zum Beweis einen Regenwurm vom Boden aufhob und ihn verschluckte, um sich kurz darauf zu übergeben.
"Hey, ist doch unwichtig! Wir hatten uns an ihre Zeit angepasst, also hätten sich der gute Didö und seine Gang sicher auch an die Erdzeit angepasst, oder?" Leider hatte Jäs Yorson keinen blassen Schimmer von Chrono-kosmologischer Gravitations-Elementarzeitberechnungsphysik; im Gegensatz zu - dem Grünen Vogel. Weil dieser aber nach wie vor einen unverdauten Regenwurm über die saubere Rasenfläche verteilte, dabei ornithologisch fragwürdige Geräusche abgab und sich kurzzeitig für einen Mauersegler mit Drei Tonnen Bombenlast aus Saddam Husseins Leibgarde hielt, erklärte Herr von Runkenstein Yes Yorsen, warum er irrte.
"So einfach ist es nicht. Die Zeitebene eines Organismus wird bei der Geburt bestimmt, doch nur in künstlichen Zeitfeldern auf Schiffen können diese Zeitebenen synchronisiert werden. Natürliche, planetare Zeitfelder haben aber keinen Einfluss auf die Zeitebene eines einzelnen Organismus".
"D-Das bedeu... BUUUÄÄÄÄÄÄÄHH!" Dem Grünen Vogel gelang es nicht, sich in das Gespräch einzuklinken.
"Das bedeutet, dass die Echsen sich auf der Erde nur in Zeitlupe bewegt hätten."
Yes Jiorsen war baff. Trotzdem störte es ihn nicht. "Hey, macht doch nichts! War doch trotzdem ein astreiner Tag, oder? Wann hatten wir denn das letzte mal soviel Spaß?"
"Gestern." Der Grüne Vogel bezog sich auf die Zeit, als er noch nicht mit fetten Echsen diskutierte, eingefroren wurde oder sein innerstes nach außen würgte.
"Es geht nicht um den Spaß. Es geht um Millionen von gut genährten Echsen, die in Zeitlupe überall auf der Erde landeten und ungiftig waren."
Kurz darauf fielen zwei Groschen.
"H-Hat jemand e-eine Magent-tablette für m-mich? U-Und einen w-warmen Ka-Ka-Kakao?"
"Im Haus. Und dort habe ich auch Boden-Luft-Raketen, Betäubungsgewehre, scharfe Messer und einen Holzkohle-Grill."
"Hurra, auf alles vorbereitet! Ich nehme an, dass ich die Raketen abfeuern soll?"
"Natürlich."
"Dachte ich mir." Jes Jorsen schien sehr zufrieden. "Übrigens: Wie willst du sie zubereiten?"
"Maggi-Fix für Echsensteaks. Steht in der Speisekammer." Herr von Runkenstein war immer auf alles vorbereitet.