Journalist: Guten Tag, Herr Tod; schön, das sie sich die Zeit nehmen konnten.
Tod: Gern geschehen. Ist mir immer wieder ein Vergnügen, mich mit zukünftigen Kunden zu unterhalten.
Journalist: Ähh, ja. Beginnen wir doch vorne: wie alt sind sie?
Tod: So alt wie das Leben selbst.
Journalist: Und sie arbeiten jeden Tag?
Tod: In meinem Gewerbe ist Urlaub selten. Besonders die letzen Jahrhunderte waren anstrengend. Aber ich mache ich diesen Job gerne.
Journalist: Denken sie, das sie ein gerne gesehener Gast sind?
Tod: Von meiner Kundschaft weniger. Meine Auftraggeber sind aber über mein Erscheinen immer begeistert.
Journalist: Auftraggeber? Wen meinen sie?
Tod: Jeder, der tötet und töten befiehlt. Natürlich gib es auch heute noch den "natürlichen" Tod, aber die Zahl meiner Auftraggeber hat stark zugenommen. Deshalb liebe ich die Menschen: weil sie mich lieben.
Journalist: Das klingt aber sehr makaber. Erzählen sie doch mehr dazu. Wer sind ihre Auftraggeber?
Tod: Meine wichtigster Auftraggeber ist die Natur. Naturkatastrophen und wilde Tiere sind die Klassiker. Tiere gibt es ja nicht mehr so viele, dafür haben die Naturkatastrophen im letzten Jahrzehnt ein große Comeback gefeiert.
Unter den Menschen sind meine größten Auftragsgeber die Regierungen. Der letzte Großauftrag liegt zwar schon ein halbes Jahrhundert zurück, dafür geht der Trend in Richtung vieler, kleiner Kriege. Nicht zu vergessen die zahlreichen Hinrichtungen, die es glücklicherweise noch immer gibt. An dieser Stelle auch meinen Dank an meinen Freund George W. Bush, von dem ich noch einige Aufträge erwarte. Natürlich darf ich China nicht vergessen, die zwar weniger kreativ sind, aber dafür mengenmäßig etwas zu bieten haben. Besonders das Massaker von 1989 habe ich in guter Erinnerung.
Journalist: Wer waren Auftraggeber früher und wer werden sie in Zukunft sein?
Tod: Zu Anfang ihrer Rasse war es die schon erwähnte Natur. Menschliche Auftragsgeber kamen erst mit der Zeit hinzu. Es gab da so viele... Besonders mochte ich die christliche Kirche. DAS waren vieleicht Zeiten! Die Kreuzzüge, die Inqusition. Besonders die Inquisition war ein wares Fest. So viele verschiedene Todesarten habe ich nirgendswo anders erlebt. Diese Zeit ist leider vorbei, aber ich erinnere mich gerne zurück.
Journalist: Wie sind ihre Zukunftseinschätzungen?
Tod: Es liegt noch viel Arbeit vor mir. Die größten Kriege liegen noch vor uns, und sie werden sehr viel härter werden.
Journalist: Warum glauben sie das?
Tod: In der Vergangenheit ging es meist um Macht oder Land. In Zukunft werden viele Menschen um Freiheit, Wasser und Rohstoffe kämpfen. Verdurstende haben nichts zu verlieren, Verzweifelte kämpfen am härtesten und töten am meisten.
Journalist: Sie denken also, das der Krieg eine Zukunft hat?
Tod: Definitiv ja. Er wird sich natürlich ständig der Umwelt und Technik anpassen, aber Menschen werden immer Menschen töten.
Journalist: Gut, kommen wir zu den Deutschen. Wie ist ihr Verhältnis zu diesem Volk?
Tod: (lacht) Nun raten sie mal! Die Gegenwart ist zwar relativ ruhig, aber in der Vergangenheit hatten wir ein ausgezeichnetes Geschäftsverhältnis. Ich verdanke den Deutschen nicht einfach ein paar lächerliche Kriege, sondern immerhin zwei Weltkriege. Gewiss, für einen Weltkrieg benötigt man mehr als ein Land, aber die Deutschen hatten die Sache immer fest im der Hand. Hitler war einer meiner besten Freunde, und noch heute warte ich auf einen würdigen Nachfolger. Der Krieg an mehreren Fronten war sehr wirkungsvoll und der Russlandfeldzug ein wahres Fest, besonders Stalingrad. Die Konzentrationslager waren natürlich der Höhepunkt dieser großen Ära und auch der bisherige Höhepunkt meiner Karriere.
Journalist: Wie sehen sie die deutsche Gegenwart?
Tod: Zur Zeit ist es etwas lau. Der alte Geist ist noch da, hat aber nicht mehr die Energie von früher. Die Deutschen sind heute mehr indirekte Helfer, besonders durch Finanzhilfen und Waffenexporte.
Journalist: Was ist an dem Satz "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" dran?
Tod: Nichts. Weder komme ich aus Deutschland noch habe ich hier meinen Meister gemacht. Aber die Deutschen haben mir bei der Perfektion meiner Kunst geholfen.
Journalist: Sie mögen die Deutschen?
Tod: Sicher!
Journalist: Was ist mit den Amis?
Tod: Auch ein symphatisches Völkchen. Zuerst metzeln sie ihre Ureinwohner nieder, danach sich selbst. Jeder Mensch... Entschuldigung: Jeder Amerikaner hat das Recht auf eine eigene Waffe. Allein schon deshalb gehört die amerikanische Verfassung zu den besten der Welt. Organisationen wie der Ku Klux Klan oder die vielen Milizen sind zwar noch nicht oder nicht mehr besonders ertragsreich, aber zumindest symphatisch. Diese Leute werden mit Hass geboren und großgezogen, und Hass führt glücklicherweise zum Tod. Das Justizsystem ist sehr effektiv, wenn auch die Vollstreckung der Todesurteile manchmal sehr lange dauert. Der nächste Punkt ist die amerikanische Polizei, die glücklicherweise sehr oft erst schiesst und dann fragt. Bandenkriege sind ein weiterer Pluspunkt. Kein Volk schenkt mir so viele seine Kinder. Aber die wahre Stärke der Amerikaner sind natürlich ihre Kriege. Sie haben nicht nur die beste Technik der Welt, sondern sie setzen sie auch ein. Manchmal führen sie sogar Kriege, nur um neue Techniken zu testen und die Rüstungswirtschaft anzukurbeln. Sie bauen wunderschöne, kreative, effektive und, das wichtigste, sehr viele Waffen. Ich bin mir sicher, das ich von den Amerikanern noch sehr viele Großaufträge bekommen werde.
Journalist: Das hört sich ja vielversprechend an. Nächstes Thema: wie stehen sie zu Religionen? Haben sie Favouriten?
Tod: Religionen stehen mir zunächst mal nicht im Weg. Mit den meisten stehe ich sogar sehr gut. In der Vergangenheit war das hauptsächlich das Christentum, heute tritt mehr der Islam in den Vordergrund, allerdings mehr in der Form von Extremisten. Ich liebe religiöse Fanatiker aller Religionen. Obwohl sie die selben Schriften wie ihre friedlichen Glaubensbrüder lesen, handeln sie völlig anders. Sie töten, wer nicht ihrer Meinung ist, und sprengen sich manchmal noch selbst mit in die Luft. Wenn das nicht symphatisch ist...
Journalist: Aber das sind ja nur Minderheiten. würden sie nicht auch sagen, das religiöse Menschen eher friedlich sind?
Tod: Auch religiöse Menschen sind Menschen. Und Menschen töten.
Journalist: Das ist ihre Meinung!
Tod: Nein, meine Erfahrung.
Journalist: Zu etwas völlig anderem: Es gibt den Ausdruck "dem Tod von der Schippe gesprungen". Passiert es tatsächlich, das sie jemanden nicht bekommen, den sie eigentlich holen wollten.
Tod: Das kommt vor. Bei manchen Menschen ist die Zeit noch nicht reif.
Journalist: Wer bestimmt, das sie reif ist?
Tod: Die Menschen selbst. Manchmal auch ich oder Gott.
Journalist: Es gibt einen Gott? Würden sie ihn als ihren Vorgesetzten bezeichnen?
Tod: Er hat mich zusammen mit dem Leben erschaffen. Ich lasse mir von ihm nicht ins Handwerk pfuschen, aber ich höre mir seinen Standpunkt an.
Journalist: Das heißt, Gott bestimmt nicht über Leben und Tod?
Tod: Meistens nicht. Wie gesagt, das machen die Menschen selbst.
Journalist: Wo bringen sie eigentlich die Toten hin?
Tod: Dahin, wo sie hergekommen sind.
Journalist: Und das ist...?
Tod: ...ein Berufsgeheimnis.
Journalist: Leben sie in einer Beziehung?
Tod: Ab und zu treffe ich mich mit der Geburt. Das ist aber eine rein sexuelle Sache.
Journalist: Was ist ihre Lieblingsmusik?
Tod: Death Metal.
Journalist: Vielen Dank, damit sind wir bereits am Ende des Interviews. Wir sehen uns sicher irgendwann wieder.
Tod: Ich danke ihnen, und ich bin mir sehr sicher, das wir uns sehr bald wiedersehen werden.
Das Interview führte Dennis Langer (1981 - 2001)